Die Mission der All for One Group besteht darin, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kunden in einer digitalen Welt zu steigern. Dazu gehört auch die Implementierung eines intelligenten ERP-Systems. SAP S/4HANA ermöglicht die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen in Echtzeit und bietet eine deutliche Vereinfachung des Datenmodells. Welche Herausforderungen sich beim Umstieg auf S/4HANA ergeben und wie die Steuerabteilung einzubinden ist, darüber sprechen Thaddäus Schiller, Steuerberater und Partner, sowie Daniel Spieker, Head of Tax Technology und Director, beide bei Ebner Stolz, mit Stefan Land, Finanzvorstand bei der All for One Group SE.
Nachholbedarf bei digitalen Betriebsprüfungen
Es wird höchste Zeit für eine Beschleunigung der digitalen Transformation in der Finanzverwaltung – insbesondere im Hinblick auf Betriebsprüfungen. Bislang kommen hier digitale Hilfsmittel je nach Bundesland in unterschiedlicher Ausprägung zum Einsatz. In mittelständischen Unternehmen beschränkt sich die digitale Betriebsprüfung weitgehend auf den sogenannten Z3-Datenzugriff, also den Austausch maschinell verwertbarer Datenträger. Die neue Bundesregierung beabsichtigt, Betriebsprüfungen zu modernisieren und zu beschleunigen. Wie Betriebsprüfungen in Zukunft ablaufen könnten, darüber sprechen Dr. Alexander Bohn, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner, sowie Daniel Spieker, Head of Tax Technology und Director, beide bei Ebner Stolz, mit Gregor Danielmeyer vom Außenprüfungsreferat der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen.
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Herr Danielmeyer, wie steht es derzeit um die Digitalisierung in der Finanzverwaltung, speziell bei der Außenprüfung?
Mittlerweile werden viele steuerlich relevante Daten in Unternehmen und Steuerbüros digital verarbeitet. Auch die Innendienstprozesse in der Finanzverwaltung laufen bereits an vielen Stellen digital ab. Die Herausforderung ist, dass Unternehmen und Steuerbüros ihre Daten in einem Format zur Verfügung stellen müssen, das die Finanzverwaltung lesen kann. Hier existiert eindeutig ein Schnittstellenproblem. Ferner kommunizieren wir an dieser Stelle immer noch per Fax und Telefon. Selbst E-Mails brauchen besondere Genehmigungen. Spezielle Kanäle, über die Daten oder Audit-Files zwischen der Finanzverwaltung und den Unternehmen ausgetauscht werden, befinden sich noch im Aufbau. Das gleicht eher einer Einbahnstraße: Die Unternehmen und Steuerberater liefern Daten. Die Finanzverwaltung verarbeitet diese Daten, gibt sie aber in einem analogen Papiersteuerbescheid wieder zurück.
Woran scheitert aus Ihrer Sicht eine vertiefte Kollaboration auf der Datenebene?
Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland haben die Finanzverwaltungen in jedem Bundesland eine eigene Digitalisierungsstrategie entwickelt, die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten umgesetzt wird und die unterschiedliche Technologien nutzt. Das Konsensgesetz schreibt zwar für alle Bundesländer eine einheitliche Software vor. Die existierenden Silolösungen zusammenzuführen ist aber alles andere als trivial. Zusätzlich ist die Migration von Daten aus verschiedenen Systemen immer eine große Herausforderung. Mit der Datenschutz-Grundverordnung und dem Steuergeheimnis sind zudem die rechtlichen Hürden hoch. Deshalb tut sich die Finanzverwaltung schwer, überhaupt Daten nach außen zu geben. Es ist folglich eine riesige Herausforderung, eine Kommunikationsplattform zu schaffen, die den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung und des Steuergeheimnisses genügt und trotzdem funktional ist.
Vermutlich nicht nur das, sondern auch die unterschiedliche digitale Affinität der Kollegen?
Ja, natürlich. Wir brauchen Mitarbeiter, die die digitalen Lösungen auch anwenden können und wollen. Das ist bei uns nicht anders als in der Welt der Steuerberater oder der Unternehmen. Wir müssen unsere Mitarbeiter entsprechend schulen und die Akzeptanz für die digitale Welt steigern. Im privaten Umfeld sind heute die meisten Menschen in digitalen sozialen Netzwerken aktiv. Vielen fällt es dennoch nicht leicht, sich am Arbeitsplatz mit digitalen Neuerungen auseinanderzusetzen. Dieses Thema muss bereits in der Ausbildung angegangen werden. Da ist aber noch wenig umgesetzt, egal ob für Personen in der Verwaltung oder in der freien Wirtschaft. Es gibt schulische Angebote, in denen man sieht, wie eine Standardbuchführung arbeitet. Darauf entfallen aber nur wenige Stunden. Zum Steuerrecht lernt man viel mehr. Einzelne Bundesländer schulen bereits ihre Auszubildenden in Projektwochen mit der modernen Datenanalyse, um überhaupt einen nachhaltigen Effekt in der späteren Berufswelt zu erzielen. Daher wäre es wünschenswert, dass derartige Projekte in allen Bundesländern Pflicht werden.
Unternehmen wünschen sich eine zeitnahe Betriebsprüfung, weil sie dadurch eine höhere Planungssicherheit erreichen können. Warum tut sich die Finanzverwaltung damit so schwer?
Da muss man sich einmal schlicht die Masse an Prüfungen vor Augen führen: Laut der aktuellen Betriebsprüfungsstatistik 2020 existieren derzeit 8,4 Millionen Betriebe in Deutschland, die der Betriebsprüfung unterliegen. Davon wurden 2020 insgesamt 152.000 Betriebe von 12.664 prüfenden Personen geprüft. Darunter sind zahlreiche Betriebsprüfungen, die nur wenige Tage dauerten. Andere hingegen – etwa im Fall von Konzernen – dauern häufig Monate, da die Sachverhalte komplexer sind und die Daten aus diversen Systemen aufbereitet werden müssen, bevor sie prüfbar sind. Vermehrt sind auch länderübergreifend Sachverhalte zu prüfen. Das braucht einfach mehr Zeit. Für eine flächendeckende zeitnahe Betriebsprüfung müsste das Verfahren deutlich digitaler werden. Es braucht eine vertrauenswürdige Technologie, Datenstandards und einheitliche Schnittstellen. Prozessabläufe müssen dokumentiert und funktionale Tax Compliance Managementsysteme – sogenannte Tax CMS – könnten implementiert werden. Dann wäre eine Datenverifizierung in Echtzeit oder zumindest zeitnah zum Zeitpunkt der Entstehung möglich. Aktuell kommen noch weitere Probleme hinzu, die die Betriebsprüfungen verzögern: die Corona-Pandemie und damit verbundene Antragstellungen oder das Jahrhunderthochwasser 2021 und dessen Folgen wie Papier- oder Datenverluste.
Welche Vorteile sehen Sie für Unternehmen in der Einführung eines Tax CMS?
Mit einem solchen System erkennen Unternehmen schon im Vorfeld ihre Problemfelder selbst. Sie können ihre Prozesse dadurch regelmäßig analysieren und verbessern. Als Prüfer kann ich das aufgrund des Tax CMS dann nachvollziehen. Wenn ich feststelle, dass das Unternehmen seriös aufgestellt ist, dann arbeite ich gegebenenfalls nur noch mit Stichproben. Ich muss also nicht so in die Tiefe gehen bei der Prüfung. Das spart Zeit. Auch die Distributed-Ledger-Technologie und E-Rechnungen können die Prüfung vereinfachen und damit auch beschleunigen. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die Einführung eines Tax CMS nicht unerhebliche Kosten verursacht. Unternehmen verhindern dadurch aber oftmals teure Steuernachzahlungen und erhalten Planungssicherheit für Altjahre.
Ist denn der Mittelstand schon bereit für digitale Betriebsprüfungen?
Der Mittelstand ist aus meiner Sicht grundsätzlich in Sachen Digitalisierungsprozesse gut aufgestellt. Die Corona-Pandemie war hier ein Treiber. Das Arbeiten aus dem Homeoffice führte zum orts- und arbeitsplatzunabhängigen Sharing von Arbeitsprozessen, von Daten und von Dokumentationen etwa in Dokumentenmanagementsystemen. Damit ist das Fundament für digitale Betriebsprüfungen gelegt.
Für eine flächendeckende zeitnahe Betriebsprüfung müsste das Verfahren deutlich digitaler werden.
Derzeit werden in Betriebsprüfungen vielfach Prozess- und Verfahrensdokumentationen gezielt abgefragt. Was sagt Ihre Erfahrung, sind Mittelständler entsprechend gewappnet?
Das Prozessdenken und die -beschreibung haben noch Optimierungspotential. Häufig werden steuerlich relevante Datenverarbeitungssysteme erst durch eine Betriebsprüfung tatsächlich als solche erkannt. Daten zu Geschäftsvorfällen fehlen dann. Der Datenzugriff ist dadurch nicht möglich – geschweige denn eine Aufbewahrung nach den gesetzlich geregelten Fristen. Aber allgemein ist der Mittelstand bei der Verfahrensdokumentation schon gut aufgestellt. In der Regel wird hierfür Standardsoftware eingesetzt. Natürlich sind noch betriebliche Besonderheiten und Prozesse vor Ort zu berücksichtigen. Man muss ja nachvollziehen können, was steuerlich relevant ist.
Inwieweit werden im Rahmen von Standardsoftware steuerrechtliche Belange in ausreichendem Umfang berücksichtigt?
Die Basics sind auf jeden Fall berücksichtigt. Betriebliche Besonderheiten, wie die Nutzung zusätzlicher Module, bleiben aber in der Regel unberücksichtigt. Hier fehlen dann häufig die entsprechenden Dokumentationen. Man sollte sich bewusst machen, dass Fehler, die in einer pauschalierten Dokumentation auftreten, trotzdem dem Unternehmen zuzurechnen sind.
Viele Unternehmen lagern Prozesse und Arbeiten wie Finanz- oder Lohnbuchhaltung aus –, etwa an Berater oder auch ausländische Servicecenter. Was gilt es hier zu beachten?
Hier liegt ein riesiges Gefahrenpotential. Ohne regelmäßige Check-ups der Datenströme und ohne ein gelebtes internes Kontrollsystem schleichen sich schnell Fehler ein. Das größte Problem ist sicherlich die Gefahr des Datenverlusts. Wenn man Daten per Schnittstelle nach draußen gibt, sollte man sich darüber im Klaren sein, wie und wo die Daten gespeichert werden und ob sie bestmöglich geschützt sind. Bei einer Verlagerung der Buchführung ins Ausland ist man verpflichtet, gegebenenfalls einen entsprechenden Antrag zu stellen. Wenn der fehlt, kann es sein, dass die Buchführung zurückgeholt werden muss. Das kann teuer werden.
Welches Einsparpotential für Mittelständler sehen Sie durch technische Innovationen und Digitalisierung im Bereich Steuern?
Wenn steuerlich relevante Prozesse digitalisiert sind und sich damit auch nachvollziehen und prüfen lassen, dann hat das für Unternehmen einen großen Vorteil: Sie werden digital prüfbar. Dadurch wird auf beiden Seiten Zeit gewonnen, und menschliche Ressourcen werden eingespart. Ebenso stellen sich Planungssicherheit und gegebenenfalls die Entlastung von Vorständen oder des Geschäfts durch bestandskräftige Steuerbescheide schneller ein.
Was empfehlen Sie Unternehmen, um sich für zukünftige Betriebsprüfungen besser aufzustellen?
Ganz einfach: Unternehmen müssen ihre Daten wertschätzen – vom Entstehungsprozess bis hin zur Archivierung. Ohne diese Wertschätzung wird es immer wieder im Rahmen von Betriebsprüfungen oder auch bei Fragen zur Datenschutz-Grundverordnung Schwierigkeiten geben. Eine Data-Governance oder eine GoBD-Governance kann hier Abhilfe schaffen.
Abschließend eine persönliche Frage:
Was sind für Sie die idealen Voraussetzungen für die Betriebsprüfung?
Der Fokus sollte auf Daten liegen. Die zu prüfenden Daten und die Exportschnittstellen sollten einen einheitlichen Standard und einheitliche Formate haben – dadurch werden Synergieeffekte erzielbar.
Gregor Danielmeyer
ist Sachbearbeiter im Außenprüfungsreferat der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen und war als Betriebsprüfer im Einsatz. Er lehrt als Gastdozent zum Thema digitale Betriebsprüfung an der Bundesfinanzakademie in Brühl. Darüber hinaus ist er Autor von Aufsätzen zu aktuellen Fragen der digitalen Betriebsprüfung, Blogger und Fachbuchautor. Das Interview führte er in nichtdienstlicher Eigenschaft.