SAP S/4HANA-Transformation: Mehrwerte für die Steuerabteilung?

Die Mission der All for One Group besteht darin, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kunden in einer digitalen Welt zu steigern. Dazu gehört auch die Implementierung eines intelligenten ERP-Systems. SAP S/4HANA ermöglicht die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen in Echtzeit und bietet eine deutliche Vereinfachung des Datenmodells. Welche Heraus­forderungen sich beim Umstieg auf S/4HANA ergeben und wie die Steuerabteilung einzubinden ist, darüber sprechen Thaddäus Schiller, Steuerberater und Partner, sowie Daniel Spieker, Head of Tax Technology und Director, beide bei Ebner Stolz, mit Stefan Land, Finanz­vorstand bei der All for One Group SE.

SAP S/4HANA-Transformation: Mehrwerte für die Steuerabteilung?

Die Mission der All for One Group besteht darin, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kunden in einer digitalen Welt zu steigern. Dazu gehört auch die Implementierung eines intelligenten ERP-Systems. SAP S/4HANA ermöglicht die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen in Echtzeit und bietet eine deutliche Vereinfachung des Datenmodells. Welche Heraus­forderungen sich beim Umstieg auf S/4HANA ergeben und wie die Steuerabteilung einzubinden ist, darüber sprechen Thaddäus Schiller, Steuerberater und Partner, sowie Daniel Spieker, Head of Tax Technology und Director, beide bei Ebner Stolz, mit Stefan Land, Finanz­vorstand bei der All for One Group SE.

© janossygergely – stock.adobe.com

Größere mittelständische Unternehmen, die SAP einsetzen, dürften kaum an einer ­Umstellung auf S/4HANA vorbeikommen. Was ist das Besondere daran, Herr Land?

Das Besondere ist, dass die Unternehmen zukünftig komplett aus einem System heraus arbeiten können. Mit S/4HANA wurden alle relevanten Geschäftsprozesse in einem digitalen Kern zusammengefasst. Die Entwicklung der SAP-HANA-Plattform und die Simplifizierungen der Daten­strukturen führen zu Perfor- mancesteigerungen, so dass die Unternehmen für wachsende Datenmengen gerüstet sind. Auch die Benutzeroberfläche hat sich grundlegend verändert und ist viel intuitiver geworden. Sie funktioniert mit Internettechnologie und vereint Transaktion und Analytik. Dadurch stehen alle Informationen immer in Echtzeit auf beliebigen Endgeräten zur Verfügung, egal ob PC, Tablet oder Handy. Das ermöglicht komplett neue Arbeitserfahrungen.

Ist es richtig, dass aufgrund des Auslaufens des Supports für die Vorgängerversionen ein gewisser Umstellungsdruck vorhanden ist?

Ja, das stimmt. Der Support für SAP ECC soll 2027 auslaufen, so dass sich alle Unternehmen in den nächsten Jahren aktiv mit der Transfor­mation beschäftigen müssen. Und die hat es in sich, denn es gilt, die Datenbank und die Software auszutauschen. Das ist ein richtig großes Projekt.

Wann haben Sie sich in Ihrem Unternehmen zum ersten Mal mit der SAP S/4HANA-Transformation beschäftigt, und wie lange hat die Umsetzung gedauert?

Damit auseinandergesetzt haben wir uns 2019, die Umsetzung erfolgte dann 2020. Die Gesamtdauer der Umstellung lag bei etwa zehn Monaten. Nimmt man die Vorprojektphase dazu, haben wir etwa ein Jahr benötigt. Denn bei der Initialisierung stellten wir fest, dass wir im Vorfeld der Umstellung den „Businesspartner“, der den Lieferanten und den Kunden zusammenfasst, und „SAP RAR“ (SAP Revenue Accounting and Reporting) einführen mussten, um auf S/4HANA wechseln zu können. Live gegangen sind wir am 1. Januar 2021.

Stefan Land – Foto: Reiner Pfisterer

Thaddäus Schiller – Foto: Reiner Pfisterer

Daniel Spieker – Foto: Reiner Pfisterer

Ist das der typische zeitliche Aufwand für den Umstieg, mit dem auch andere Unter­nehmen rechnen sollten?

Die Länge der Projekte ist sehr unterschiedlich. Da spielen so viele Punkte eine Rolle: Wie sieht Ihre IT-Infrastruktur aus? Wie viele Systeme haben Sie? Wie viele SAP-Systeme sind bereits im Einsatz? Und nicht zuletzt hängt es davon ab, welchen Transformationsansatz Sie wählen. Klassisch gibt es zwei Varianten. Nach dem Brownfield-Ansatz wird das komplette System inklusive aller Daten mehrfach konvertiert. Der Greenfield-Ansatz dagegen wählt den Weg der kompletten Neuimplementierung von ­S/4HANA.

Und welchen Ansatz halten Sie für den ­besseren?

Unsere Erfahrung zeigt, dass der Greenfield-­Ansatz in der Regel keine Lösung ist, weil die Unternehmen bewährte Prozesse beibehalten und relevante Daten mitnehmen möchten. Aus unseren eigenen Erfahrungen haben wir aber gelernt, dass eigentlich ein weiterer Ansatz der Königsweg ist, der sogenannte Bluefield-Ansatz.

Das heißt, Sie haben mit Brownfield umge- stellt und würden das mit Ihrem heutigen ­Wissen anders machen?

Ja, als Beratungshaus empfehlen wir in der Zwischenzeit nur noch den softwarebasierten Bluefield-Ansatz. Hier kann das Beste aus der neuen und der alten Welt miteinander verbunden werden. Neue, moderne Prozesse können mit der aktuellen Technologie eingeführt werden. Aber wichtige Altdaten werden mitgenommen, und Anpassungen an bestehenden Prozessen, Daten und Organisationsstrukturen können vorgenommen werden. Man kann softwareunterstützt Dinge schneller und schlanker erledigen. Das beschleunigt die Projekte. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die geringe Downtime des Produktivsystems – für viele Unternehmen ein wichtiger Aspekt bei der Transformation.

Gibt es konkrete Learnings, die Sie aus der Umstellung mitgenommen haben? Was lief gut, was weniger, wo würden Sie mit Ihrem heutigen Kenntnisstand anders vorgehen?

Wie schon gesagt, haben wir die Vorprojekte zeitlich unterschätzt, da hier auch einige Datenfelder, Nummernkreise und Strukturen aktualisiert und erweitert werden mussten. In diesem Zusammenhang wurden dann auch bilanzierungsrelevante Sachverhalte, wie zum Beispiel die „Periodenabgrenzung“ und die damit verbundenen Umstellungen von monatsgenauer auf taggenaue Erfassung von Projekten, analysiert. Sie haben zur Anpassung unseres Umsetzungszeitplans geführt.

Welche Phasen sind bei der Implementierung von SAP S/4HANA zu durchlaufen, und welcher Phase kommt die wichtigste Rolle zu?

Wir starten bei unseren Bluefield-Projekten mit der Initialisierung. Hier wird das Zielsystem aufgebaut, und es werden die relevanten Vereinfachungselemente, auch „Simplification- Items“ genannt, bearbeitet. Dann wird das leere ECC-System mit dem Customizing, aber ohne Stamm- und Bewegungsdaten konvertiert. In der Designphase werden die Änderungen, wie zum Beispiel angepasste oder neue Prozesse und Funktionen, festgelegt. In der Build-Phase werden das Customizing unter S/4HANA angepasst und die Migrationsregeln erstellt. In der Migrations- und Testphase wird das neue ­S/4HANA-System mehrfach mit den Daten befüllt und getestet. Diese Phase ist die wichtigste. Nach dem erfolgreichen Integrationstest kommt dann das Go-Live. Das Ganze dauert in der Regel zwischen fünf und zwölf Monaten – je nachdem, wie groß der Anpassungsaufwand ist.

Welche Rolle sollte hierbei die Steuer- abteilung spielen – klassischerweise ist sie ja in der Regel kein relevanter Player in ­derartigen Projekten?

Ich empfehle, diesen Veränderungsprozess von Anfang an nicht zu unterschätzen. In einem ersten Schritt ist die Implementierung von SAP S/4HANA sicherlich im Schwerpunkt ein technisches IT-Projekt. Die Verantwortung und Aufgabe der Steuerabteilung liegt hier in der begleitenden Durchführung von mehreren Integrationstests. Die Datenkonsistenz, die Lauffähigkeit aller Transaktionen und die individuellen Customizing-Einstellungen müssen intensiv geprüft werden, damit nach der Transformation der operative Betrieb reibungslos weiterlaufen kann. Aber auch über neue Funktionalitäten, Transaktionen und Standards sollte sich die Steuerabteilung Gedanken machen und eine Transformations-­Roadmap erstellen. Eine rein technische Umstellung des Systems wäre verschenktes Potential. Prozessverbesse­rungen und Strukturopti­mierungen im An­schluss an die technische Transformation sollten von Anfang an geplant werden. Das volle Potential von ­S/4HANA lässt sich nur mit einer Optimierungs- und Entwicklungsphase im Anschluss an die Transformation heben. Hierzu haben wir ein abgestimmtes Abomodell „CONVERSION/4“ entwickelt, welches genau diese Anforderungen auf Kundenseite abbildet.


Ich empfehle, diesen Veränderungsprozess von Anfang an nicht zu unterschätzen.

Wie sollte sich die Steuerabteilung Ihrer ­Erfahrung nach am besten dem Thema SAP S/4HANA nähern, und wie erfolgt ­idealerweise die Zusammenarbeit zwischen Steuerfunktion und IT?

Ganz zentral ist, dass Fachabteilung und IT einen gemeinsamen Zeitplan festlegen. Insbesondere unterjährige Systemumstellungen müssen genau geplant werden, da dies Komplexitäten und besondere Anforderungen für die Fachabteilung mit sich bringt. Außerdem darf der Umfang der Integrationstests nicht unterschätzt werden. Hier muss unbedingt auch eine Ressourcenplanung inklusive Urlaubs- und Abschlusszeiten erstellt werden. Die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe der Steuerabteilung ist es, die genauen Dokumentationsanforderungen für Betriebsprüfer und Wirtschaftsprüfer zu definieren. Die Dokumentation ist für die Steuer- und Finanzabteilung das A und O einer erfolgreichen Transformation und muss unbedingt begleitend erstellt werden. Oftmals kann aufgrund der geänderten Datenstrukturen im Nachhinein keine durchgängige Dokumentation mehr erstellt werden. Insbesondere beim Brownfield-Ansatz müssen nachvollziehbar und lückenlos die Vorher-nachher-Abstimmung und die Fehleranalyse dokumentiert werden. Es ist letztendlich die Fachabteilung, die für die Datenkonsistenz und die Stetigkeit der Zahlen verantwortlich ist.

Wo sehen Sie für die Steuerabteilung die größten Herausforderungen bei der ­Implementierung von SAP S/4HANA?

Die größte Herausforderung besteht in der Doppelbelastung der Mitarbeiter im Steuerbereich. Sowohl das teilweise zeitkritische Tagesgeschäft als auch die klaren Terminvorgaben des Transformationsprojekts gilt es einzuhalten. Erfahrungsgemäß lassen sich an dieser Stelle Engpässe nicht immer vermeiden. Der zeitliche Umfang der Integrationstests sollte nicht unterschätzt werden. Die Erfahrung zeigt, dass zu wenig durchgeführte Tests in der Anlaufphase oder, wie wir auch sagen, „Hyper-Care-Phase“, zu unerwarteten Problemen führen können. Später Massendaten im Live-System zu adjustieren ist deutlich aufwendiger, als vorher im Testszenario Customizing-Einstellungen zu ändern.

Bei welchen Steuerarten profitiert die ­Steuerabteilung am meisten von der SAP S/4HANA-Integration?

Es ergeben sich sicherlich neue Möglichkeiten und eine höhere Flexibilität in der Bewertung und Analyse der Ertragsteuern. Die damit zusammenhängenden latenten Steuern können künftig direkter ermittelt werden. Weitere Vorteile ergeben sich im Bereich der Umsatzsteuer. Insbesondere die Analyse und Verarbeitung der Massendaten aus dem Waren- und Lieferverkehr werden besser unterstützt.

Können Sie die neuen Möglichkeiten bei den Ertragsteuern noch etwas genauer erklären?

Über das „New-Ledger-Accounting“ können gesonderte Bewertungsbereiche eingerichtet werden. So ist die parallele Buchführung für eine Handelsbilanz, Steuerbilanz und IFRS-Bilanz möglich. Diese Möglichkeiten bestanden zwar auch schon unter SAP ECC, aber in Kombination mit dem Tool „SAP RAR“ können nun auch unterschiedliche Umsatzrealisierungszeitpunkte je Bewertungsbereich gesondert eingerichtet und dann auch separat je „Ledger” verbucht werden. Auch die mit den Ertragsteuern im Zusammenhang stehenden latenten Steuern können durch Auswertungen über verschiedene Ledger-Bereiche hinweg deutlich einfacher berechnet und analysiert werden. Denkbar ist somit die direkte Ermittlung von latenten Steuern aus der Gegenüberstellung von IFRS und Steuerbilanz.


Das Risiko für Straf- oder Nachzahlungen an das Finanzamt kann systematisch reduziert werden.

Kann man die Einführung von SAP S/4HANA auch mit dem Tax CMS verknüpfen und einen Mehrwert generieren?

Ja, definitiv. Nach unserer Erfahrung ist die Verknüpfung von SAP S/4HANA mit dem Tax CMS für viele Unternehmen noch ein weit entferntes Ziel, da heterogene IT-Landschaften noch mögliche Mehrwerte schmälern. Steht aber eine gruppenweite IT-Infrastruktur auf Basis von S/4HANA zur Verfügung, ergeben sich die Mehrwehrte vor allem aus der Automatisierung von Tax-CMS-Prozessen und einer durchgängigen digitalen Dokumentation, also aus Prozessabbildung, Nachweis und Dokumentation der Kontrollen. Durch die Nutzung von SAP- S/4-Funktionalitäten kann so ein höheres Maß an steuerlicher Compliance erreicht werden. Mit anderen Worten: Das Risiko für Straf- oder Nachzahlungen an das Finanzamt kann dadurch systematisch reduziert werden.

Ihre Kunden können S/4HANA als klassisches Lizenzmodell, aus der Cloud oder als hybrides Produkt beziehen. Welche Herausforderungen sehen Sie hierbei bei Ihren Kunden im Rahmen der S/4HANA Einführung – insbesondere aus steuerlicher Sicht?

Wir erleben im IT-Bereich gerade eine starke Veränderung in Richtung „Cloud“-Produkte. Die klassischen Lizenz- und Wartungsmodelle sind derzeit immer mehr auf dem Rückzug. ­Sicherlich ist es hier auch Aufgabe der Steuer- und Finanzabteilung, frühzeitig die bilanziellen und steuerlichen Auswirkungen zu analysieren und daraus die geeignete kaufmännische Strategie abzuleiten. Bei uns sind die Fragen der Bilanzierung von Lizenzen oder Cloud-Produkten, steuerlicher Abschreibungen und der Erfassung von Implementierungs- und Schulungskosten sowie deren Liquiditätseffekte mittlerweile zu einem komplexen Thema geworden. Wir als börsennotierte Gesellschaft analysieren deshalb Steuerrecht, Handelsrecht und IFRS immer einzeln.

Jetzt wagen wir noch einen Blick in die ­Zukunft: Wo sehen Sie Herausforderungen der Steuerfunktion, die durch SAP S/4HANA bewältigt werden können?

Das Auseinanderdriften von Handels- und Steuerbilanz wird sicherlich in Zukunft weiter zunehmen. Die Interessen der Finanzverwaltung sind einfach zu konträr zu den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften, die geprägt vom kaufmännischen Vorsichtsprinzip sind. Wir sind daher der Meinung, dass mit SAP S/4HANA für die Zukunft deutlich mehr Flexibilität im Hinblick auf die Darstellung von parallelen Bewertungsbereichen und Taxonomien gegeben ist.

Die All for One Group SE

ist die Nr. 1 im deutschsprachigen SAP-Markt und ein führendes IT-Haus. Das Portfolio des Komplettdienstleisters umfasst ganzheitliche Lösungen und Services entlang der gesamten IT-Wertschöpfungskette – von Management- und Technologieberatung über SAP-­Branchenlösungen und Cloudanwendungen bis hin zu hochskalierbaren Hosting- und Cloudservices aus deutschen Rechenzentren. Als „SAP-Platinum-Partner“ ist die All for One Group SE ein Generalunternehmer und betreut mit über 2.700 Mitarbeitern mehr als 3.000 Kunden im deutschsprachigen Raum.

Stefan Land

ist seit 2008 Finanzvorstand der All for One Group SE. Land hat große Erfahrungen in der Neuausrichtung von schnell wachsenden und international tätigen Unternehmen. Vor seiner Zeit bei der All for One Group SE war Land seit 2001 für die börsennotierte PULSION Medical Systems AG, München, tätig und verantwortete dort als Finanzvorstand den erfolgreichen Turnaround der Gesellschaft.