Branchenkompass Public Sector
Kleine Erfolge sind wichtig
Die Digitalisierung einer Stadt und ihrer Behörden ist ein Mammutprojekt, das nicht über Nacht zu realisieren ist. Das Interview mit Frau Dr. Laura Dornheim, IT-Stadträtin und CDO der Stadt München, zeigt, dass auf dem Weg zur digitalen Stadt auch die kleinen Projekte zählen und Teilhabe sowie Beteiligung entscheidend sind.
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Handlungsbedarf sehe ich vor allem bei dem Thema Bildungs- und Schul-IT. Diese Thematik besitzt aufgrund der unterschiedlichen Einrichtungen mit differenten Bedürfnissen eine enorme Komplexität. Hier gibt es einiges zu tun, daher zählt es zu meinen Topthemen. Auch im Hinblick auf die Datennutzung gibt es noch viel Luft nach oben. Viele verschiedene Behörden müssen aktuell dieselben Personendaten immer wieder neu erfassen, obwohl die Datensätze innerhalb der Stadtverwaltung bereits vorliegen. Unser Ziel ist, den Menschen in der Stadt den Kontakt mit den Behörden zu vereinfachen, indem wir die technische Möglichkeit schaffen, solche Daten innerhalb der Verwaltung zu teilen – natürlich datenschutzkonform.
Die Unterschiede zur Privatwirtschaft sind oft gar nicht so groß, teilweise habe ich den Eindruck, dass es einen unberechtigten Minderwertigkeitskomplex seitens der Verwaltung gibt. Gerade Konzerne und Verwaltungen ähneln sich meiner Erfahrung nach sehr, wenn es um die Umsetzung neuer Prozesse oder auch von Software geht. Anders sieht es natürlich im Vergleich mit Start-ups aus, schließlich ist es für ein Unternehmen mit 20 oder 200 Beschäftigten deutlich einfacher, Änderungen vorzunehmen, als für eine Stadtverwaltung mit über 40.000 Mitarbeitenden. Verwaltungen besitzen hier zudem größere Beharrungskräfte und müssen Veränderungen vorsichtiger austarieren. Das bewerte ich aber nicht per se als negativ, ganz im Gegenteil ist es bis zu einem gewissen Grad wünschenswert. Schließlich sollte eine Verwaltung nicht so risikoaffin agieren wie ein Start-up. Aber an der einen oder anderen Stelle sind neue Impulse sicher notwendig.
Das Projekt Smart City umfasst deshalb die Vernetzung unterschiedlicher Münchner Referate und zeigt eindrucksvoll, dass Digitalisierung ein Querschnittsthema ist. Letztlich nutzt das Projekt der Stadtplanung, dem Umweltreferat, dem Baureferat, dem Sozialreferat und damit natürlich auch unseren Bürgerinnen und Bürgern.
Es gibt aber auch immer wieder Beharrungskräfte, die man nicht einkalkuliert. Beispielsweise wurde ich darauf hingewiesen, dass wir die Vollversammlungen nicht papierlos gestalten könnten, da es im alten, ehrwürdigen Sitzungssaal des Rathauses keine Möglichkeiten gibt, an allen Plätzen Steckdosen einzurichten. Folglich könnte es bei langen Sitzungen passieren, dass die Akkus der Geräte leerlaufen – banale, aber reale Gründe, die die Digitalisierung verzögern.
Ein anderes Hindernis, das es zu überwinden gilt, ist die Akzeptanz des Prinzips „Einer für Alle“ (EfA), das die Länder dazu verpflichtet, Leistungen in der Form zu digitalisieren, dass die Prozesse auch von anderen Ländern genutzt werden können. Hiermit ist eine gewaltige gedankliche Kehrtwende verbunden, die nicht über Nacht zu vollziehen ist. Städte und Referate beharren aktuell auf ihren individuellen Lösungen, und kaum eine Einheit ist bereit, auf die Prozesse von anderen zurückzugreifen. Aktuell gibt es auch keine Anreize, Leistungsprozesse so allgemein abzubilden, dass sie ohne großen Aufwand für andere nutzbar wären. Hier muss einiges getan werden, damit EfA an Fahrt aufnimmt und innerhalb weniger Jahre zum gewünschten Ziel führt.
Die E-Akte und auch die Schnittstellen sind für alle Referate einsatzfähig. Trotzdem arbeiten einige weiterhin mit Druckern und Kopiermaschinen.
Mit dem Munich Urban Colab haben wir zudem einen perfekten Standort, um aktiv mit Unternehmen, Start-ups und der Stadtgesellschaft in Kontakt zu kommen. Als IT-Referat treten wir hier sowohl in der Rolle des Veranstalters als auch in der eines Teilnehmers bei verschiedensten Formaten auf. Innovationsnetzwerke wie Futury bieten Zugang zur internationalen Start-up-Szene im Austausch mit Unternehmen unterschiedlichster Größe. München bringt hier seit Anfang 2021 eine kommunale Perspektive und umfassendes Wissen in die Entwicklung innovativer, nachhaltiger Ideen im Bereich Bauwesen, Abfallwesen und Versorgung ein. Zusammen mit dem Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW), dem Innovationslab und dem Projekt Werkstadt des IT-Referats haben wir in Form der Veranstaltungsreihe „Meet the City“ außerdem auch ein neues Format innerhalb des Munich Urban Colab gestartet. Die Veranstaltungen bieten allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich zu informieren und auszutauschen.
Bei all unseren Referatsprojekten arbeiten wir eng mit den anderen Behörden zusammen. Dafür werden kleine Teams gebildet, die jeweils für eigene Projekte zuständig sind. Die Teams erarbeiten die digitalen Prozesslösungen gemeinsam mit den Verwaltungsbeschäftigten. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass die digitalen Prozesse funktionieren, verstanden werden und Anwendung finden. Das würde sich in dieser Form nicht durch ein einfaches Vorsetzen der fertigen Anwendungen erreichen lassen. Die Stadtgesellschaft adressieren wir mit Hilfe eines Bürgerdialogs, in dessen Rahmen wir informieren und mit ihr zusammen über zukünftige Digitalisierungsthemen diskutieren. Dies ist ein wichtiger Schritt, gerade auch, um unsere Arbeit transparenter zu gestalten. Denn um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen, gilt es, nahbar zu sein und aufzuzeigen, inwiefern Digitalisierung ihr Leben erleichtern kann.
Es ist uns wichtig, die Nutzerinnen und Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Hierfür bauen wir digitale Barrieren ab und stellen unserer Bevölkerung sowie den Unternehmen einen zentralen Support zur Verfügung, um digitale Systeme nutzen zu können. Das ist auch ein wichtiger Impuls der „Dresdner Forderungen“, in denen München zusammen mit anderen Kommunen fünf zentrale Punkte auf dem Weg zu einer digitalen Verwaltung formuliert hat. Mit der Website „unser.muenchen.de“ verfügt München außerdem über eine eigene Online-Beteiligungsplattform, mit deren Hilfe wir unsere Bürgerinnen und Bürger aktiv zum Mitwirken anregen. Jede und jeder von ihnen hat hier die Möglichkeit, sich an der Planung und den Vorhaben der Stadt München zu beteiligen und sich mit anderen Interessierten auszutauschen.
Das Interview führte Jacqueline Preußer.