Managementkompass Survey
BANI – navigieren in der neuen Normalität
Unternehmen und Verwaltungen sehen sich aktuell immer wieder neuen, nicht planbaren Entwicklungen gegenüber. Der öffentliche Diskurs kennt verschiedene Begriffe für diese Situation: Stapel-, Multi- oder Omnikrise und immer öfter auch BANI. BANI ist ein Denkmodell, das die Welt und ihre Systeme als brüchig (brittle), ängstlich (anxious), nicht-linear (non-linear) und unbegreiflich (incomprehensible) beschreibt. Die vorherrschenden Krisen haben diese Verwundbarkeit von Organisationen offenbart, wie reagieren diese darauf? Was macht ihnen am meisten zu schaffen, und wie nehmen sie die aktuelle Situation wahr? Diesen und weiteren Fragen geht dieser Managementkompass Survey auf den Grund, für den Entscheiderinnen und Entscheider aus Wirtschaft und öffentlichen Verwaltungen befragt wurden.
© PM Images – Getty Images
Personalbeschaffung ist aktuell die größte Herausforderung
Viele externe Faktoren bestimmen die Agenda der Chefetagen. Aus der Fülle von Herausforderungen sticht für die befragten Entscheiderinnen und Entscheider die Personalbeschaffung als größtes Problem heraus. Unternehmen und Verwaltungen kämpfen mit der Ruhestandswelle, dem fehlenden Nachwuchs sowie Skilling-Veränderungen. Verschärft wird diese Situation durch die Tatsache, dass viele Unternehmen Arbeitskräfte Lockdown-bedingt freisetzen mussten, die dadurch entstandenen Vakanzen aber nach wie vor nicht füllen konnten. Der aktuelle Personalnotstand ist gefährlich, weil er Unternehmen und Verwaltungen in die Defensive zwingt. Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen und Behörden geben an, dass sich Organisationen nicht besser auf kommende Krisen vorbereiten können, weil ihnen die personellen Ressourcen fehlen.
Was die Anzahl und die Art der Herausforderungen betrifft, zeigen sich auch branchenspezifische Besonderheiten: Die befragten Finanzdienstleister sind überproportional stark mit der Inflation, der geopolitischen Lage und der Cyber-Kriminalität beschäftigt. Das verarbeitende Gewerbe hadert maßgeblich mit den hohen Energiepreisen und Lieferkettenproblemen. Die Industrie steht besonders unter Druck, da sie im Vergleich mit anderen Branchen von besonders vielen externen Veränderungen parallel betroffen ist. Neben den genannten Problemen machen den Industrieunternehmen auch die Inflation, die sinkende Nachfrage und die geopolitische Lage zu schaffen. Brisant hieran ist, dass sich die Herausforderungen gegenseitig bedingen, was darauf schließen lässt, dass das verarbeitende Gewerbe mit punktuellen Veränderungen nicht weiterkommt, sondern eine aufeinander abgestimmte und unternehmensübergreifende Neuausrichtung benötigt.
Die öffentlichen Verwaltungen kämpfen neben der Personalbeschaffung und Energiesicherung aktuell vor allem mit der Durchführung nötiger Investitionen, beispielsweise in moderne Infrastruktur, sowie mit dem Aufbau eines digitalen, bürgerzentrierten Public Sector.
„Was sind derzeit die größten Herausforderungen für Ihre Organisation?“;
in Prozent der Befragten; n = 419¹
¹ Darstellung ohne Antwortoption „weiß nicht/keine Angabe“
2 z.B. Rechenzentren, Breitbandzugang
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
„Welche Maßnahmen ergreift Ihre Organisation, um diesen Herausforderungen zu begegnen?“;
in Prozent der Befragten; n = 398¹
¹ Darstellung ohne Antwortoptionen „keine der genannten Maßnahmen“ und „weiß nicht/keine Angabe“;
² z.B. Weiterbildungen, Förderungen; ³ z.B. Cloud Computing
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Alte Bekannte für neue Zeiten
Die Antworten der Managerinnen und Manager auf die zunehmend poröse Geschäftswelt sind alte Bekannte. Die Prozesse werden weiter optimiert, um die Profitabilität zu steigern und Ressourcenmängel aufzufangen. Kompetenzdefiziten wird mit Qualifizierung und dadurch mit dem Schließen von Know-how-Lücken begegnet.
Neu hinzu kommt, dass mehr Entscheiderinnen und Entscheider Nachhaltigkeitsmanagement auf der Maßnahmenagenda haben. Das betrifft insbesondere die Finanzdienstleister und das verarbeitende Gewerbe. In diesen beiden Branchenclustern engagiert sich mittlerweile fast jede zweite befragte Partei. Die öffentlichen Verwaltungen setzen verstärkt auf Kooperationen – ebenfalls ein bewährtes Vorgehen, allerdings verändert sich der Partner-Mix zunehmend in Richtung innovativer Gov-Tech-Start-ups.
Vorausschauende Maßnahmen, wie Investitionen in Präventivmaßnahmen oder die Erhöhung der Analysefähigkeiten, befinden sich deutlich seltener im Instrumentenkasten für den Umgang mit multiplen Herausforderungen. Diese Maßnahmen werden nur gelegentlich und maßgeblich von großen Konzernen ergriffen, die ohnehin eine größere Maßnahmenpalette anwenden. KMU fokussieren sich mehrheitlich auf einzelne und wenige Maßnahmen.
„Wie werden die folgenden Bereiche die Fülle an Herausforderungen
Ihrer Meinung nach bewältigen?“¹
¹ in Prozent der Befragten; n = 386
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Keine Spur von Untergangsstimmung
Auf die Frage, wie die herausfordernden Zeiten bewältigt werden, fällt die Antwort unerwartet optimistisch aus: Vier von fünf der befragten Organisationen gehen davon aus, die Fülle der gegenwärtigen Herausforderungen „gut“ oder „sehr gut“ bewältigen zu können. Ähnlich, wenn auch leicht skeptischer, bewerten die Befragten die Aussichten für die eigene Branche. Trotz dieser positiven Einschätzung zur Krisenbewältigung nimmt nur rund die Hälfte der Befragten an, dass die Gesamtwirtschaft gut durch die Krisen kommt.
Vergegenwärtigt man sich die beklemmende, niedergeschlagene Stimmung Ende 2022, so scheinen die schlimmsten Erwartungen ausgeblieben oder zumindest abgemildert worden zu sein. Staatliche Hilfspakete lindern die Folgen der Energiekrise, die erwartete Rezession blieb vorerst aus, und die Verbraucherstimmung hellt sich weiter auf. Beim Vergleich der untersuchten Branchencluster schauen die befragten Finanzdienstleister am zuversichtlichsten in die Zukunft.
„Welche Begriffe beschreiben die Stimmung in Ihrer Organisation?“¹
53%
aktiv
45%
gestresst
44%
zuversichtlich
¹ Zustimmungsquote; in Prozent der Befragten; n = 385 Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Aktiv, gestresst und zuversichtlich
Ein genauerer Blick in die Unternehmen und Verwaltungen verdeutlicht, warum die Befragten das Navigationsvermögen der eigenen Organisation optimistisch einschätzen: Die Begriffe „aktiv“, „gestresst“ und „zuversichtlich“ treffen die Stimmung aus Sicht der Befragten am häufigsten. Banken und Versicherer charakterisieren die Atmosphäre in ihren Betrieben besonders oft als „aktiv“. Kaum betroffen von Lieferkettenproblemen und beflügelt durch steigende Zinsen, ist das Unternehmensklima bei fast jedem zweiten befragten Finanzdienstleister „zuversichtlich“ und „selbstbewusst“.
Nahezu genauso viele Befragte aus der Industrie bezeichnen ihr Betriebsklima hingegen als „gestresst“. Das deckt sich mit der großen Anzahl von Herausforderungen: gestörte Lieferketten, neues Lieferkettengesetz, steigende Energiepreise, steigende Rohstoffpreise, sinkende Nachfrage und dergleichen mehr. Salopp könnte man sagen: Die Industrie hat viel zu tun und packt es an. Das zeigt sich auch damit, dass die Befragten die Stimmung zugleich als „zuversichtlich“ und „aktiv“ einstufen.
Übertroffen wird die angespannte Gemütslage der Industrie von den öffentlichen Verwaltungen, in denen noch mehr Befragte von einem gestressten Klima berichten. Neben der hohen Arbeitslast durch fehlendes Personal halten digitale Neuerungen, steigende Energiepreise, Wohnungsknappheit sowie klamme Kassen die Mitarbeitenden auf Trab. Der Begriff „aktiv“ trifft auf die Stimmung in jeder zweiten befragten Verwaltung zu. Wohl der Heterogenität dieser Herausforderungen geschuldet, ist die Atmosphäre – neben „gestresst“ und „aktiv“ – auch „verunsichert“.
Fazit
Unternehmen und öffentliche Verwaltungen finden sich aktuell in turbulenten Zeiten wieder und sehen sich mit multiplen Herausforderungen konfrontiert. Trotz einer großen Zahl an gleichzeitigen Schwierigkeiten ist es der anhaltende Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel, der die Mehrheit der befragten Entscheiderinnen und Entscheider vor allem umtreibt: Wo früher klassischerweise Wettbewerb, neue Kundenerwartungen und Digitalisierung zu den Top-Herausforderungen zählten, sind es heute die fehlenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, hohe Energiepreise und die Inflation. Trotz dieser multiplen Problematiken ist die Stimmung positiv und optimistisch.
Die neue BANI-Welt
Das Akronym BANI wurde vom Zukunftsforscher Jamais Cascio entworfen und dient als Rahmenwerk, mit dem sich Akteure besser in den chaotischen Zeiten zurechtfinden sollen. BANI beschreibt eine Welt, in der sich Organisationen immer öfter mit brüchigen Systemen konfrontiert sehen. Durch die Flut an Nachrichten stehen zudem immer mehr Informationen zur Verfügung, die verunsichern und verängstigen, aber nicht zu besseren Entscheidungen führen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, müssen Unternehmen und Verwaltungen – der BANI-Logik folgend – die Welt der linearen Kausalzusammenhänge verlassen und zu einem systemischen Denken übergehen. Doch wie denken und handeln die befragten Entscheiderinnen und Entscheider in der sich wandelnden Welt?
¹ Zustimmungsquote; in Prozent der Befragten; n = 372
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Der Beginn einer neuen Normalität?
Über Jahrzehnte hinweg galt in der Wirtschaft der Imperativ der Effizienz. Prozesse wurden immer weiter optimiert, standardisiert und automatisiert. Redundanzen und Puffer wurden zugunsten der Rentabilität geopfert. Das jahrelange Optimierungsstreben blieb nicht ohne Folgen: Organisationen wurden zunehmend ausgehöhlt. Anhaltend überlastetes Personal, das innerlich schon gekündigt hat, oder fehlende Reserven bei unterbrochenen Lieferketten sind nur zwei Beispiele dafür. Hierdurch werden Organisationen und Geschäftsmodelle anfällig, porös und brüchig. Mehr als ein Drittel der Befragten teilt die erste von vier BANI-Kernthesen, dass sich die meisten (Öko-)Systeme als instabiler erwiesen haben als in der Vergangenheit gedacht. Dies hat vor allem das verarbeitende Gewerbe zu spüren bekommen. In diesem Branchencluster ist die Zustimmung am höchsten. Die Antwort der Industrie darauf lautet: Verbesserung und Adaption.
Anpassungsfähigkeit ist die Devise unserer Zeit. Vier von fünf der befragten Entscheiderinnen und Entscheider stimmen der These zu, dass die Fähigkeit, sich an neue Gegebenheiten anzupassen, wichtiger ist denn je. Das erreichen Unternehmen und Verwaltungen allerdings nur, wenn sie sich und ihre Mitarbeitenden flexibel aufstellen. Hierfür ist es wichtig, die Digitalisierung weitervoranzutreiben, eine Innovationskultur zu fördern und die Belegschaft dabei zu unterstützen, das richtige Mindset aufzubauen. Zudem kommt es ganz entscheidend auf den richtigen Unternehmensaufbau und die richtigen Arbeitsmethoden an: Netzwerkstrukturen, die über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus gedacht und genutzt werden, vergrößern die Handlungsoptionen und die Wertschöpfungsketten von Organisationen. Unternehmen und öffentliche Verwaltungen profitieren bei diesem sogenannten Co-Creation-Ansatz von dem im Netzwerk geteilten Wissen sowie den darin vorhandenen Kompetenzen.
„Die Fähigkeit, sich an neue Gegebenheiten anzupassen, ist wichtiger denn je.“¹
82%
¹ Zustimmungsquote; in Prozent der Befragten; n = 352
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Turbulente Zeiten bleiben nicht ohne Folgen für die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden. In Anbetracht der aktuellen Unsicherheiten und Ungewissheiten wundert es kaum, dass fast jede zweite befragte Person die Ansicht vertritt, dass Organisationen heute mehr Bedenken haben als noch vor fünf Jahren. Dies deckt sich mit der gestressten Stimmung, die in vielen Organisationen auszumachen ist. Gerade in Zeiten des Personalmangels kann dieser Zustand verheerende Folgen haben. Doch die befragten Managerinnen und Manager lassen sich davon nicht verunsichern. Nahezu jede und jeder von ihnen ergreift stattdessen Maßnahmen, um die psychische Belastung der Mitarbeitenden zu reduzieren. Dies scheint sich auszuzahlen: So gibt nur jeder zehnte Entscheider an, dass sich die Produktivität der eigenen Belegschaft verringert habe.
„Die Produktivität unserer Belegschaft hat im Zuge all der Herausforderungen nachgelassen.“¹
13%
¹ Zustimmungsquote; in Prozent der Befragten; n = 352
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
In der Vergangenheit war die Mehrheit der Unternehmen hierarchisch geordnet und auf Komplexitätsreduktion bedacht. Entscheidungen wurden auf der höchsten Hierarchieebene getroffen, Ziele und Zielgrößen final gesteckt und von oben vorgegeben. Es gab einfache kausale Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung. Heute arbeiten immer mehr Organisationen in agilen Teams mit flachen Hierarchien. Zudem werden Kooperationen mit anderen Unternehmen geschlossen. Netzwerke werden immer größer, globaler und undurchsichtiger. Die Komplexität in und um die Organisationen herum steigt. Dies macht es für Unternehmen und Verwaltungen schwieriger, die Folgen von Entscheidungen nachzuvollziehen sowie klare Ziele und Zielgrößen zu definieren – zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis teilt weniger als ein Drittel der befragten Entscheiderinnen und Entscheider diese Ansicht.
„Es wird immer schwieriger, klare Ziele und Zielgrößen zu definieren.“¹
28%
¹ Zustimmungsquote; in Prozent der Befragten; n = 352
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Diese Aussage scheint fast schon widersprüchlich, wenn man die vierte der oben stehenden BANI-Kernthesen betrachtet: Rund die Hälfte der befragten Entscheiderinnen und Entscheider vertritt die Auffassung, in einem Meer aus Informationen und Daten zu ertrinken. Obwohl immer mehr und immer neue Daten zur Verfügung stehen, wird es schwieriger, Sachverhalte zu verstehen und Entscheidungen zu treffen. In Anbetracht der technologischen Möglichkeiten könnte das anders sein. Ein Blick auf die Infrastruktur zur Datenverarbeitung zeigt jedoch, dass die weitverbreiteten Data-Lake- und Data-Warehouse-Lösungen bislang häufig an der zunehmenden Datenflut scheitern. Entscheiderinnen und Entscheider wissen teilweise nicht, welche Daten im Unternehmen zur Verfügung stehen oder welchen Nutzen diese für sie haben könnten. Erst jeder zweite Befragte vertraut auf die Technik und vertritt die Ansicht, dass die heutige Welt ohne digitale Lösungen und Datenauswertung nicht mehr begreifbar ist. An dieser Stelle besteht Nachholbedarf, damit Managerinnen und Manager gerade in turbulenten Zeiten richtig entscheiden können.
„Ohne digitale Lösungen und Datenauswertung ist die heutige Welt nicht mehr begreifbar.“¹
50%
¹ Zustimmungsquote; in Prozent der Befragten; n = 352
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
„Haben Sie in den vergangenen 24 Monaten organisatorische Veränderungen vorgenommen, um schneller und flexibler auf exogene Veränderungen reagieren zu können?“;
in Prozent der Befragten; n = 377¹
¹ Darstellung ohne Antwortoption „weiß nicht/keine Angabe“
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Organisatorische Anpassungen sind verhalten
Aktuell lässt sich noch keine mehrheitliche Zustimmung zu den oben stehenden Kernthesen des BANI-Akronyms feststellen. Zudem vertritt nur jede zweite befragte Person die Auffassung, dass Krisen der neuen Normalität entsprechen. Dies passt auch dazu, dass die organisatorischen Anpassungen auf die vielen externen Veränderungen verhalten sind. Die Mehrheit der Unternehmen und Verwaltungen setzt – häufig notgedrungen – auf die bestehenden Personalressourcen und weitet deren Zuständigkeiten aus. Führend in dieser Kategorie sind die Finanzdienstleister.
Etwa drei von zehn aller befragten Organisationen belassen die Strukturen, wie sie sind. Business Continuity Management ist in vielen Unternehmen bereits vorhanden, weil es regulatorisch Pflicht ist.
Fazit
Die Befragten nehmen die Welt aktuell noch nicht flächendeckend als brüchig, ängstlich, nicht-linear und unverständlich – BANI – wahr. Derzeit gibt es keine große Zustimmung dazu, dass sich Handlungen schwerer nachvollziehen lassen oder es schwieriger wäre, klare Ziele und Zielgrößen zu benennen. In Anbetracht der Vielfalt an Herausforderungen und dem Ausbleiben vieler Worst-Case-Szenarien besteht jedoch die Gefahr, dass die Verantwortlichen verfrüht zur Tagesordnung übergehen. Die optimistische Stimmungslage begünstigt, dass Managerinnen und Manager die Anfälligkeit ihrer auf Effizienz getrimmten Unternehmen und Behörden übersehen, wodurch strategische Veränderungen ausbleiben.
Navigieren in der BANI-Welt
Wenn eine Organisation unter Druck gerät, erfordert dies oft ein Umdenken, um sich aus der Situation zu lösen – sei es in Form eines Krisenstabes oder einer neuen Strategie. Dieses Vorgehen bringt auch intensive Kommunikationsarbeit mit sich. Doch wie reagieren Organisationen, wenn sich eine Krise an die nächste reiht oder mehrere Herausforderungen simultan koexistieren?
„Welche der folgenden Faktoren sind für Sie zentral für die dauerhafte Begegnung der multiplen Krisen?“;
in Prozent der Befragten; n = 363¹
¹ Darstellung ohne Antwortoptionen „keiner der genannten Faktoren“ und „weiß nicht/keine Angabe“
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Kommunikation ist gefragter denn je
Zu den wichtigsten Faktoren, um langfristig auf Krisen zu reagieren, gehört aus Sicht der befragten Entscheiderinnen und Entscheider eine angemessene Kommunikation. Eine situationsgerechte Verständigung schafft Klarheit, Halt und Vertrauen vor dem Hintergrund wachsender Ungewissheit, dadurch nimmt sie die Angst vor Veränderungen. Klare Aussagen erleichtern zudem die interne und externe Koordination.
Die Antworten bei den übrigen potenziellen Faktoren zur dauerhaften Krisenbewältigung fallen jedoch je nach Branche recht unterschiedlich aus: Adaptiv zu sein sehen mehr als drei Viertel der Befragten aus dem Industrie- und Finanzdienstleistungssektor als wichtig an. Zudem ist die freie Wirtschaft bereit, ihre strategische Ausrichtung zu überdenken, um Krisen langfristig besser begegnen zu können.
Die öffentlichen Verwaltungen wollen beim dauerhaften Umgang mit multiplen Krisen aktiver vorgehen: Mehr als die Hälfte der Behörden setzt deshalb auf das Anfertigen von Krisenbewältigungsstrategien und mehr als ein Drittel auf das Einsetzen von Krisenstäben. Ein Grund dafür könnten die regulatorischen Anforderungen sein, die öffentliche Verwaltungen haben, wenn es um die Aufrechterhaltung kritischer Services geht.
Bildung und Bindung
Um flexibler auf Turbulenzen reagieren zu können, setzen die befragten Entscheiderinnen und Entscheider in erster Linie bei ihrer Belegschaft an. Durch Skilling sollen die Mitarbeitenden dazu befähigt werden, souverän mit den sich ändernden Anforderungen umzugehen – je passgenauer hier investiert wird, desto besser.
Neben den Jobprofilen wandeln sich auch die Profile der Organisationen. Die Befragten setzen vermehrt auf eine offene Unternehmenskultur. Mehr als die Hälfte wählt diese Ausrichtung, um die Zusammenarbeit zu stärken und Abteilungsdenken weiter zurückzufahren. Weiterbildung und eine offene Unternehmenskultur zahlen zudem auf den Ansatz des agilen Arbeitens ein, der von fast genauso vielen Befragten genutzt wird. Agile Arbeitsmethoden eignen sich in besonderem Maße, um in einer komplexen und chaotischen Welt erfolgreich arbeiten zu können. Dies gilt insbesondere für Konzerne, denen es aufgrund ihrer Größe und Struktur deutlich schwerer fällt, flexibel auf sich ändernde Umstände zu reagieren. Kein Wunder also, dass fast drei Viertel der großen Unternehmen in diesen Bereich investieren.
In einer zunehmend vernetzten Welt helfen digitale Geschäftsmodelle, neue Umsatz-Standbeine zu schaffen. In diesem Bereich sind Banken und Versicherer besonders aktiv. Hierdurch wird es ihnen möglich, tiefer in die Ökosysteme ihrer Kunden vorzudringen und sich auf Plattformen einzuklinken. Die öffentlichen Verwaltungen bemühen sich verstärkt darum, Netzwerke mit anderen Organisationen aufzubauen. Sie suchen die Nähe zu Gov-Tech-Start-ups sowie zu weiteren Partnern aus der Wirtschaft und aus Behörden, um Transformationen schneller umzusetzen.
„Was hilft Ihrer Organisation, insgesamt flexibler zu werden?“;
in Prozent der Befragten; n = 368¹
¹ Darstellung ohne Antwortoption „weiß nicht/keine Angabe“
2 z.B. Rechenzentren, Breitbandzugang
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
„Was hindert Organisationen Ihrer Erfahrung nach daran, proaktiver zu handeln?“;
in Prozent der Befragten; n = 360¹
¹ Darstellung ohne Antwortoptionen „keiner der genannten Gründe“ und „weiß nicht/keine Angabe“
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Personalmangel bremst Proaktivität
Die drei größten Hindernisse für ein vorausschauendes Handeln der befragten Akteure sind fehlendes Personal, organisatorische Hürden und eine unzureichende Digitalisierung. Während aber Verwaltungen und Industrie maßgeblich mit dem Fachkräftemangel hadern, kämpfen die Finanzdienstleister verstärkt mit organisatorischen Hürden. Für Banken und Versicherer gelten strenge gesetzliche Vorschriften, was sie insbesondere bei der digitalen Transformation beeinträchtigt. Geplante Schritte müssen besonders intensiv geprüft und hinterfragt werden, was wiederum einiges an personellen Ressourcen bindet. Dieses Bild passt dazu, dass fehlendes Personal und eine unzureichende Digitalisierung weitere prominente Hemmnisse für Finanzdienstleister sind, proaktiver zu handeln.
Jede zweite befragte öffentliche Verwaltung hadert mit organisatorischen Hürden, deren Überwindung durch fehlende finanzielle Mittel und einen fehlenden politischen Rahmen erschwert wird. Dies lässt vermuten, dass Verwaltungen Möglichkeiten kennen, um vorausschauender zu handeln, sie hierfür jedoch noch auf die nötigen gesetzlichen Regelungen warten müssen.
Fazit
Auch wenn die Wahrnehmung einer BANI-Welt noch nicht mehrheitlich beobachtet werden konnte, agieren die befragten Akteure quasi intuitiv BANI-adäquat. Sie erhöhen die Adaptionsfähigkeit, kümmern sich um ihr Personal und stärken durch eine offene Unternehmenskultur die Transparenz. Eine noch bessere Vorbereitung auf die chaotischen Umstände könnte Organisationen vor allem durch mehr Personal und weniger Bürokratie gelingen. Eine unzureichende Digitalisierung hindert maßgeblich Finanzdienstleister daran, proaktiver zu handeln. Es stimmt optimistisch, dass diese Branche hier bereits aktiv ist.
Maßnahmen für die BANI-Welt
Die BANI-Welt steckt voller Ungewissheit und Unwegsamkeit. Jede Branche ist hiervon in unterschiedlichem Maße betroffen: Manche Herausforderungen sind identisch, andere sehr unterschiedlich verteilt. Im Folgenden werden die drei Kernbereiche Personal, Lieferketten und Innovation betrachtet. Es wird gefragt, was Organisationen unternehmen, um den spezifischen Herausforderungen in diesen Bereichen zu begegnen.
„Wie verringert Ihre Organisation derzeit die psychischen Belastung von Mitarbeitenden?“;
in Prozent der Befragten; n = 357¹
¹ Darstellung ohne Antwortoptionen „keiner der genannten Aspekte“ und „weiß nicht/keine Angabe“
² z.B. Yoga, Fitnesstage
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Viele Maßnahmen und ein Ziel: Entlastung
Unsichere, turbulente Zeiten können einen entscheidenden Einfluss auf die Psyche von Menschen haben. Gerade in Zeiten eines chronischen Personalmangels kann dies zu einer Überforderung und Demotivation der Belegschaft führen. Eine Antwort auf diese Bedrohungslage besteht darin, der psychischen Belastung der Mitarbeitenden aktiv entgegenzuwirken. Hierfür steht eine ganze Palette an potenziellen Angeboten zur Verfügung. Die befragten Entscheiderinnen und Entscheider haben jede der aufgelisteten Maßnahmen ergriffen. Im Durchschnitt nutzen Banken und Versicherer rund vier Ansätze zur Belastungsreduktion. Demgegenüber unterbreiteten das verarbeitende Gewerbe und die öffentliche Verwaltung ihren Mitarbeitenden durchschnittlich drei der aufgelisteten Angebote.
Zu den beliebtesten Schritten zählen die flexible Regelung von Arbeitszeit und –ort, die interne Kommunikation sowie eine offene Fehlerkultur. Gute Kommunikation zahlt sich gerade in Krisenzeiten aus: Wenn Menschen besorgt oder verunsichert sind, schaffen klare Worte, Bekenntnisse und Werte den gewünschten Halt. Dies berücksichtigen drei von fünf der befragten Entscheiderinnen und Enterscheider. Zudem begünstigt offene Kommunikation auch eine positive Fehlerkultur, in die fast jede zweite befragte Partei investiert — aus gutem Grund: Eine Kultur, in der Fehler machen und daraus lernen explizit gewollt ist, fördert die Adaptionsfähigkeit von Unternehmen. Nur wer Fehlerrisiken als immanenten Bestandteil von Fortschritt akzeptiert, kann auch von den positiven Aspekten profitieren, die sich im Laufe von Entwicklungsprozessen einstellen. Anpassungsfähigkeit, Innovationskraft und Kreativität sind allesamt Fähigkeiten, auf die es in diesen Zeiten mehr denn je ankommt.
Partnerschaften stärken
Probleme mit Lieferketten betreffen die befragten Managerinnen und Manager in unterschiedlichem Maße. So gibt rund die Hälfte der befragten Finanzdienstleister an, dass Lieferkettenprobleme keine Rolle für die eigene Organisation spielen. Durch Spillover-Effekte aus anderen Bereichen ist es aber durchaus möglich, dass Banken und Versicherungen die Folgen bei ihren Firmenkunden merken.
In der hier befragten Industrie sind Lieferengpässe und weitere Störungen im Lieferprozess die Regel. Um dem zu begegnen, setzt die Mehrheit der Befragten auf diverse Instrumente. Das beliebteste Vorgehen besteht darin, vorhandene Partnerschaften zu intensivieren, denn das schafft Planungssicherheit.
Rund jeder zweite Anbieter in der verarbeitenden Industrie kooperiert zudem mit neuen Lieferanten, um sein Netz zu verbreitern und das Risiko von Abhängigkeiten zu senken. Ein populärer Schritt besteht auch darin, bewusst Reservekapazitäten aufzubauen, um sich für neue Krisen zu wappnen. Aktuell ist jedoch eine groß angelegte Regionalisierung und damit eine Abkehr vom globalen Welthandel nicht erkennbar. Auch eine Umstellung der Produktion, um den Bedarf selbstbestimmter zu managen, ist nur in wenigen Fällen zu beobachten. Dies kann aber auch als abwartende Haltung interpretiert werden, nehmen doch rund zwei Fünftel der Befragten aus der Industrie an, dass die multiplen Krisen zu einem Wandel in ihrer Branche führen werden.
„Wie geht Ihre Organisation aktuell mit unsicheren Lieferketten um?“;
in Prozent der Befragten; n = 356¹
¹ Darstellung ohne Antwortoption „weiß nicht/keine Angabe“
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
„Trotz aller Herausforderungen ist es wichtig, in Innovationen zu investieren.“¹
72%
¹ Zustimmungsquote; in Prozent der Befragten; n = 352
Quellen: F.A.Z.-Institut, Sopra Steria
Langfristige Forschung und Entwicklung sind Unternehmensbereiche, die im Krisenfall oftmals von Sparmaßnahmen betroffen sind. Sobald eine Krise die nächste ablöst, ändert sich dieses Bild: Annähernd drei von vier der befragten Entscheiderinnen und Entscheider haben grundlegend richtig erkannt, dass es trotz aller Herausforderungen wichtig ist, in Innovationen zu investieren. Bei den ergriffenen Maßnahmen lässt sich diese Haltung allerdings nicht erkennen. Nur jedes fünfte Unternehmen gibt an, in Forschung oder Technik zu investieren, um auf die Krisen zu antworten.
Fazit
Ereignisfülle und Informationsmenge haben stark zugenommen. Die psychische Belastung wird ein immer größeres Thema für Unternehmen und Verwaltungen. Die Mehrheit der Befragten versucht, die Belastung der Mitarbeitenden mit einer flexibleren Arbeitsorganisation und einer offenen Kommunikation zu reduzieren. Der Faktor Beziehung gewinnt auch zwischen den Organisationen an Bedeutung. So intensiviert mehr als jede zweite befragte Person im verarbeitenden Gewerbe ihre Partnerschaften, um besser mit instabilen Lieferketten zurechtkommen zu können. Ein Allheilmittel für Krisen haben Unternehmen und Verwaltungen noch nicht gefunden. Sie setzen stattdessen auf verschiedene, individuell zugeschnittene Lösungen für die einzelnen Herausforderungen. Dabei betonen die befragten Organisationen auch die Bedeutung von Innovationen in unsicheren Zeiten, sind aber noch verzögert in der Umsetzung.
Kontakt
Sopra Steria ist ein führendes europäisches Technologieunternehmen mit anerkannter Expertise in den Geschäftsfeldern Consulting, Digital Services und Softwareentwicklung. Der Konzern unterstützt seine Kunden dabei, die digitale Transformation voranzutreiben und konkrete und nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. Sopra Steria bietet umfassende End-to-End-Lösungen, die große Unternehmen und Behörden wettbewerbs- und leistungsfähiger machen — und zwar auf Grundlage tiefgehender Branchenexpertise, innovativer Technologien und eines kollaborativen Ansatzes.
Das Unternehmen stellt die Menschen in den Mittelpunkt seines Handelns mit dem Ziel, digitale Technologien optimal zu nutzen und eine positive Zukunft für seine Kunden zu gestalten. Mit 50.000 Mitarbeitenden in rund 30 Ländern erzielte der Konzern 2022 einen Umsatz von 5,1 Milliarden Euro.
Ansprechpartner:
Sopra Steria SE
Nils Ritter
Pressesprecher
E-Mail:
presse.de@soprasteria.com
Tel.: +49 151 40625911
Webseite: soprasteria.de
Der Managementkompass „BANI – navigieren in der neuen Normalität“ steht hier zum Download zur Verfügung.